Die wichtigsten Aussagen der Experten zu den Themen:
- Entwicklung der einzelnen Assetklassen
- Vergleich mit vergangenen Krisen
- Auswirkungen auf neue Projektentwicklungen
- Das ‚New Normal‘ der Bauwirtschaft
- Lösungspotenziale digitaler Lösungen
Die Headlines in den Fachmedien der letzten Wochen übertrumpfen sich gegenseitig, darin finden sich sowohl positive als auch negative Prognosen. Herr Beyerle, mit Blick auf die einzelnen Assetklassen, was wissen wir heute und was ist nach vorne blickend die beste Schätzung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung?
Thomas Beyerle: Aussagen mit Daten belegbar zu machen ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Faktor. Erst durch Zahlen ergibt sich eine Vergleichbarkeit und die Einordnung der Thesen. Es zeigt sich, Wohnungswirtschaft auf Gesamtebene betrachtet ist ein Gewinner. Je spezifischer man jedoch in Subsegmente geht, desto kritischere Nachfragen und spezifischere Erkenntnisse gibt es. Es ist jedoch festzustellen, dass in der breiten Masse derzeit keine extreme Preisveränderung feststellbar ist.
Mehr über die Auswirkungen auf einzelne Assetklassen im Video
Herr Schober, Sie sprechen in Ihrer neuesten Publikation davon, dass die deutsche Baubranche ihre vierte große Krise in den letzten 40 Jahren erlebt. Viele möchten gerne den Vergleich zu vergangenen Krisen ziehen. Ist das überhaupt möglich?
Kai-Stefan Schober: Es ist das erste Mal, dass die Krise der Bauwirtschaft aufoktroyiert wurde. Aktuell haben wir strukturell eine gut aufgestellte Bauwirtschaft: Bestehende Auftragsbestände werden abgearbeitet. Die Entwicklung der Asset-Klassen entspricht der zukünftigen Entwicklung in sechs bis zwölf Monaten, das ergibt sich allein aus der Natur der Projekte heraus. Was können wir daraus lernen? Die Bauwirtschaft nimmt als Tanker solche wirtschaftlichen Krisen auf: Aufgrund der langfristigen Planungs- und Finanzierungsphasen dauert es eine Weile bis die Bauwirtschaft stagniert und rückläufig ist.
Als Menschen waren wir in zwei Parallelwelten unterwegs. Die berufliche Welt war wie sie ist, es gab vereinzelt ein paar Features. Im Privaten haben wir uns schon in den Jahren vorher deutlich digitaler verhalten – deutlich digitaler als im Beruflichen. Das kam jetzt zusammen. Es ist zum Tagesgeschäft geworden und ein direkter Mehrwert ist sichtbar. Ich sehe die einmalige Chance durch digitale Lösungen innovativer Unternehmen, die internen Prozesse noch stärker zu verbessern und so durch Digitalisierung einen Flow im gesamten Unternehmen zu schaffen.
Prof. Dr. Thomas Beyerle, Managing Director bei Catella
Wie kann man in laufenden Projekten reagieren und welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf den Start neuer Projekte?
Thomas Beyerle: Man muss sich immer vor Augen halten: Ohne Handwerker geht es nicht, steuerlichen Maßnahmen oder Prozessverbesserungen ändern daran nichts. Man braucht Menschen auf dem Bau, die Gewerke stellen. Beobachtbar waren insgesamt nur geringe Verschiebungsaktivitäten von ein bis zwei Wochen. Und wir haben Anfang des Jahres eine Rechnung aufgestellt: Wenn alle derzeit genehmigten Projektentwicklungen fertiggestellt werden, ohne dass neue Projektentwicklungen dazukommen, werden diese bis Herbst 2024 abgebaut. Eine Frage, die derzeit insbesondere Projektentwickler beschäftigt: Sind die Quadratmeterpreise noch realistisch? Daran schließen sich zwei Optionen an, das Verdichten der geplanten Fläche oder die zeitliche Verschiebung des Projekts. Eine wichtige Rolle für die Entscheidung spielen dabei die Lage und der Standort.
Herr Schober, Sie sprechen in Ihrer aktuellen Publikation von einem “New Normal” für die Bauwirtschaft. Werden wir Ihrer Ansicht nach auch wieder zurückkehren zu einem zum Business as Usual?
Kai-Stefan Schober: Von der allgemeinen Entwicklung der Nachfrage ergeben sich Auswirkungen auf die einzelnen Assetklassen und die Baubranche insgesamt. In unserer aktuellen Studie haben wir Nachfrage und Angebot betrachtet, dazu zählen unter anderem Faktoren wie E-Commerce, die Konsolidierung der Bauwirtschaft oder die Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird der Digitalisierungsgrad zunehmen, im Go-To-Market, in den Prozessen der jeweiligen Unternehmen, im Bauprojekt von der Planung über die Ausführung, die Inbetriebnahmen und sogar den Rückbau. Wir unterhalten uns schon lange über BIM, aber jetzt besteht die Möglichkeit viel weitere Features abzudecken – und auf die End-to-End Digitalisierung der Bauwirtschaft hinzuarbeiten.
“Entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird der Digitalisierungsgrad zunehmen, im Go-To-Market, in den Prozessen der jeweiligen Unternehmen, im Bauprojekt von der Planung über die Ausführung, die Inbetriebnahmen und sogar den Rückbau. Wir unterhalten uns schon lange über BIM, aber es ist jetzt die Möglichkeit viel weitere Features da abzudecken. Und auf die End-to-End Digitalisierung der Bauwirtschaft hinzuarbeiten.”
Dr. Kai-Stefan Schober, Senior Partner & Head of Practice Group Construction bei Roland Berger
Durch den Lockdown war ein Großteil der Gesellschaft gezwungen von zu Hause zu arbeiten. Welche Bedeutung kommt der Digitalisierung Ihrer Meinung nach zu, Herr Beyerle?
Thomas Beyerle: Als Menschen waren wir in zwei Parallelwelten unterwegs. Die berufliche Welt war wie sie ist, es gab vereinzelt ein paar Features. Im Privaten haben wir uns schon in den Jahren vorher deutlich digitaler verhalten – deutlich digitaler als im Beruflichen. Das kam jetzt zusammen. Es ist zum Tagesgeschäft geworden und ein direkter Mehrwert ist sichtbar. Ich sehe die einmalige Chance durch digitale Lösungen innovativer Unternehmen, die internen Prozesse noch stärker zu verbessern und so durch Digitalisierung einen Flow im gesamten Unternehmen zu schaffen.