EU-Taxonomie
Zwei von insgesamt sechs Zielen der EU-Taxonomie (Klimaschutz und Anpassung an den Klimaschutz) sind bereits seit Beginn diesen Jahres in Kraft. Für diese beiden Ziele gibt es Kriterien, die der Prüfung unterzogen werden müssen, egal, ob es sich um einen Neubau, Ankauf oder eine Sanierung handelt. Neu hinzukommen am 01. Januar 2023 die vier verbliebenen Ziele: Vermeidung und Reduzierung der Umweltverschmutzung, Schutz der Biodiversität, Übergang zur Kreislaufwirtschaft sowie Schutz der Wasser- und Meeresressourcen. Nach heutigem Stand ist nur eines der vier Ziele für die Immobilienbranche bedeutsam: der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft inklusive Abfallvermeidung und der Nutzung von Sekundärrohstoffen. Für dieses Ziel wird es verbindliche Kriterien geben.
Warum die EU-Taxonomie so bedeutend ist
Rechtsanwalt Dr. Christoph Strelczyk fasste im digitalen Event die Bedeutung der EU-Taxonomie für die gesamte Wirtschaft wie folgt zusammen: “Mit einem einheitlichen Regelwerk definiert die EU, was nachhaltig ist. Das Ziel ist, Vergleichbarkeit und Transparenz auf den Finanzmärkten zu schaffen und heutige Zertifizierungen oder Standards zum Teil zu ersetzen. Vor dieser Zielsetzung betrifft die EU-Taxonomie nicht nur Finanzprodukte, sondern die gesamte Realwirtschaft, denn: Artikel 8 des Regelwerks besagt, dass auch Unternehmen, die der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung unterliegen, berichten müssen, inwieweit ihre wirtschaftlichen Aktivitäten taxonomie-konform sind. Dieser Anwendungsbereich betrifft bislang ca. 1.000 (börsennotierte) Unternehmen, aber durch eine neue Richtlinie wird der Bereich ausgeweitet und in Deutschland 15.000 Unternehmen betreffen, die alle jedes Jahr zur Taxonomie berichten müssen. Ab 250 Mitarbeiter:innen und einer Umsatzschwelle von 40 Mio. Euro ist ab 01.01.26 für das Wirtschaftsjahr 2025 eine Berichterstattung nötig. Vom Transportunternehmen bis zum IT-Dienstleister sind alle Unternehmen verpflichtet, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu überprüfen. Auch die Immobilienwirtschaft.”
Was bedeutet es, nicht taxonomie-konform zu sein?
Formal betrachtet, ist die Einhaltung der EU-Taxonomie nicht verpflichtend (außer in Sonderfällen von Artikel 8+ oder Artikel 9 Fonds, die sich ausdrücklich dazu verpflichten). Verpflichtend ist jedoch das Reporting darüber, inwieweit die Aktivitäten taxonomie-konform sind oder nicht. Viel bedeutender als die formale Einhaltung ist die Auswirkung auf den Markt, denn klar ist: Eine taxonomie-konforme Immobilie wird mit einer Wertsteigerung belohnt und lässt sich leichter verkaufen. Dagegen ist bei nicht-konformen Objekten über kurz oder lang mit Wertminderungen zu rechnen.
Offenlegungsverordnung (SFDR)
Seit März 2021 müssen Finanzmarktteilnehmer in ihren Unternehmensunterlagen offenlegen, wie sie mit Nachhaltigkeitsrisiken (z. B. Erderwärmung, Extremwetterereignisse oder Menschenrechtsverletzungen) umgehen. Ebenfalls zu benennen sind die negativen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsfaktoren (sogenannte PAIs für Principal Adverse Impact Indicators) anhand unterschiedlicher Vorgaben und Fristen, die sich nach Unternehmenskategorie und -größe richten. Damit einher gehen gestiegene Reporting-Anforderungen für Artikel 8- und 9-Fonds. Aber nicht nur das, denn die PAIs müssen nun auch für nicht-nachhaltige Fonds erfasst werden. Außerdem legt die Gesetzgebung die konkreten technischen Regulierungsstandards (RTS) nach, die Inhalt, Methodik und Darstellung der offenzulegenden Informationen definieren. Die Detailregelung, bezeichnet als Level-2-Verordnung, ist bereits am 14. August 2022 offiziell in Kraft getreten und betrifft Finanzdienstleister und Fondsgesellschaften. Anzuwenden ist sie jedoch erst ab 01.01.2023. Welche Kennzahlen genau zu reporten sind, hängt von der Fondskategorie ab und zu welchen Auflagen sich der Fonds verpflichtet hat. Für das Reporting der PAI gelten in der Immobilienbranche zwei Pflichtindikatoren: Energieeffizienz sowie der Zusammenhang der Immobilien mit fossilen Brennstoffen. Hinzu kommt ein Wahlindikator, in der Regel ist Energieverbrauchsintensität. Wer die reporteten Zahlen auditiert, ist derzeit nicht regulatorisch festgesetzt. Als Best-Practices hat sich in der Branche etabliert, wie bei Finanzpublikationen über den Wirtschaftsprüfer und einen Sachverständigen vorzugehen. Wie lange die technisch-regulatorischen Bestimmungen in der derzeitigen Form gelten, bleibt abzuwarten, da bereits an einer Überarbeitung gearbeitet wird.
Was bedeuten die Neuerungen für Asset Manager?
Jede neue Regulatorik erhöht den Druck, Nachhaltigkeitsziele aktiv und quantifizierbar umzusetzen, denn Investoren und Stakeholder werden in Zukunft noch genauer auf ESG-Kriterien achten und diese als Top-Investitionskriterium festigen. Erhöhte Reporting-Anforderungen bei Artikel-8- und Artikel-9-Fonds sind die direkte Konsequenz, die mehr denn je eine strukturierte Datenerhebung erfordert. Zwar sind Investoren am stärksten von den Regularien betroffen, aber Asset Manager, Projektentwickler und Bauträger leisten den zentralen operativen Beitrag, denn: ohne nachhaltige Immobilienprojekte keine nachhaltigen Immobilienfonds. Um das Vertrauen der Stakeholder zu stärken und belastbare Nachweise zu liefern, nehmen ESG-Scorings, z. B. von GRESB, eine zentrale Rolle für Bestandshalter ein. Sie sind das Mittel der Wahl, um die ESG-Performance von Vermögenswerten mess- und vergleichbar zu machen.
Auf nationaler Ebene: CO2-Abgabe
Bisher konnten Vermieter in Deutschland anfallende Kosten für die CO2-Steuer vollständig auf die Mieter:innen umlegen. Das ändert sich zum 01.01.2023, denn dann werden die Kosten zwischen Vermieter und Mieter je nach energetischen Gebäudezustand aufgeteilt. Im Wohnbereich kommt ein Stufenmodell zum Einsatz, nach dem der Energieeffizienz des Gebäudes entsprechend zwischen 0 und 95 % dem Vermieter zur Last fallen. Der Mieter trägt immer mindestens 5 % der CO2-Kosten, z. B. im Fall von sehr schlecht gedämmten Gebäuden. Für Gewerbeobjekte gilt übergangsweise eine 50:50 Regelung.
Gut zu wissen: EU-Lieferkettengesetz
Bisher konzentriert sich die Regulatorik stark auf das “E” und damit die ökologischen Stellschrauben. Mit dem EU-Lieferkettengesetz rücken neben ökologischen auch soziale Verpflichtungen entlang der gesamten Lieferketten in den Fokus. Der Gesetzesentwurf wurde im Dezember 2022 von den EU-Ländern verabschiedet. Nach der Einigung im EU-Parlament, die für Mai 2023 erwartet wird, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, das Gesetz in nationale Richtlinien zu übersetzen. Besonders auffällig ist, dass das EU-Gesetz in seinem Umfang voraussichtlich über die Bestimmungen des deutschen Lieferkettengesetzes hinausgehen wird, indem z. B. Unternehmen ab 500 Mitarbeiter:innen und indirekte Lieferanten darunter fallen. Die deutsche Fassung tritt am 01.01.2023 in Kraft und schreibt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter:innen und Sitz in Deutschland Sorgfaltspflichten vor, die die Sicherung von Menschenrechten und Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette sicherstellen.