Lean steht im engeren Sinne für schlanke Prozesse. Im weiteren Sinne beschreibt es eine Kultur und Haltung mit dem Fokus Produktionsprozesse kontinuierlich zu verbessern und Verschwendung zu reduzieren. Eine Vielzahl an analogen und digitalen Methoden und Werkzeugen kommt dabei in Bau- und Immobilienprojekten zum Einsatz. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Historie und Adaption von Lean für das Bauprojektmanagement, beschreibt wie Projektteams beispielsweise mit dem Last Planner® System effizienter arbeiten und wie Software projektlanges Lernen fördern kann.
Podcast: Matthias Stieb und Gerrit Wegener über Lean Management in der Praxis
Mathias Stieb ist als Real Estate Consultant und Lean Experte mit langjähriger Erfahrung im klassischen Projektmanagement tätig. Gerrit Wegener ist seit mehr als zehn Jahren als freiberuflicher Architekt bei Bauvorhaben tätig. Beide Gesprächspartner haben in gemeinsamen Projekten Erfahrungen gesammelt, welche digitalen und analogen Werkzeuge Lean für Projektteams bietet, welche Rolle Software dabei spielt und wie damit langfristig Wisse auf neue Projekte übertragen werden. Lean fördert einerseits schlanke Prozesse, bezeichnet gleichzeitig den Wunsch nach kontinuierlicher Verbesserung von Produktionsprozessen und die Reduktion von Verschwendung.
Effizienz über alle Projektphasen
Die Idee der schlanken Produktion ist bereits viele Jahrzehnte alt: Toyota in Japan konzipierte ein umfassendes System, welches beispielgebend für die Automobilindustrie und viele weitere Industriezweige wurde. Diese Industrien haben maßgeblich von den positiven Effekten des Lean Management profitiert. Im Bauwesen hat sich diese Kultur bislang vergleichsweise wenig durchgesetzt, obwohl bereits in den 80er Jahren in den USA konkret auf das Bauwesen bezogene Methoden zur Umsetzung entwickelt wurden.
Lean Experte und Real Estate Consultant Mathias Stieb über die Bedeutung von Lean für das Bauwesen
Last Planner® System für verbesserte Prozesse und Kommunikation
Vornehmlich sei hier das Last Planner® System (LPS) als eine Methode der Produktionsplanung und Produktionssteuerung genannt, die über alle Projektphasen hinweg zum Einsatz kommen kann. Es systematisiert die Anwendung der Lean Management-Prinzipien inklusive der kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen und fördert die Integration der Projektbeteiligten.
Ziel des LPS ist das Erreichen von Zeit- und Kosteneinsparungen, bei gleichzeitiger Einhaltung der Qualitätsziele, durch eine verbesserte Produktionsplanung und -steuerung. Dies geschieht durch:
- Prozessverstetigung
- Erhöhung der Zuverlässigkeit aller Arbeits- und Informationsflüsse
- Rechtzeitiges Erkennen und Ausräumen von Hindernissen in den Prozessen
- Transparenz und kontinuierliche Visualisierung von Produktionsplänen
Erfolgskritisch ist dabei die Integration des Wissens aller Projektbeteiligten und das Erreichen einer guten Zusammenarbeit in Planung und Fertigung durch den Aufbau einer Vertrauenskultur über Unternehmensgrenzen hinweg.
Die Rolle digitaler Tools im Lean Management
Analog zum LPS können auch moderne Softwaresysteme, beispielsweise Systeme zur Prozesssteuerung, dem Kostenmanagement oder anderen Bereichen, helfen, die Lean-Prinzipien im Projekt umzusetzen und die vorgenannten Ziele zu erreichen.
Werden die Daten und Prozesse zentral in einem gemeinsamen System geführt, erhöht sich in der Regel die Zuverlässigkeit aller Arbeits- und Informationsflüsse. Denn Probleme ergeben sich oftmals dadurch, dass die Prozesse und damit die Arbeits- und Informationsflüsse nicht oder nicht klar geregelt und verstanden sind. Die Arbeit mit der Software „zwingt“ die Beteiligten im Idealfall zum Prozessdenken. Wichtig hierbei: Die Software kann dieses Problem (allein) nicht lösen, wer digital arbeiten will, muss analog seine Hausaufgaben machen. Oftmals ist das die größere Aufgabe bei der Implementierung.
Ebenso wesentlich für die Zielerreichung ist die einfache und jederzeit abrufbare, besser noch ständig präsente Visualisierung der Daten. Für alle muss auf einen Blick erkennbar sein, wo das Projekt bzw. der Prozess steht, wo es Abweichungen gibt und wo gehandelt werden muss. Dies ist mit zentralen Softwaresystemen ohne Zusatzaufwand möglich. In mehreren Pilotbaustellen wurden zentrale, für alle Beteiligten erreichbare Anlaufpunkte geschaffen, die solche Visualisierungen bieten. Eine solche Transparenz und die offene Kommunikation erfordern Mut – der Lohn sind gemeinsames und zielgerichtetes Handeln.
Verbesserungs- und Lernprozesse durch strukturierte und transparente Daten
Anhand strukturiert erfasster Daten können Verbesserungs- und Lernprozesse etabliert werden. Erst damit kann Wissen von einem Projekt auf das nächste transferiert werden. Oftmals ist im Bauwesen noch zu beobachten, dass das Rad immer wieder neu erfunden wird. Werden die Lessons Learned konsequent in der Software berücksichtigt, kann sichergestellt werden, dass die erreichten Verbesserungen auch im nächsten Projekt zur Verfügung stehen.
Es spricht also viel dafür, für Auswahl und Einsatz von Software die „Lean-Brille“ aufzusetzen. Auch hier müssen der Auftraggeber und ggf. sein Projektsteuerer der Führungsrolle im Projekt gerecht werden, um den Einsatz von Beginn an aktiv zu gestalten. Dabei sollten die einzelnen Softwarelösungen als Werkzeuge im Gesamtsystem verstanden werden und begleitend zu weiteren, auch analogen Werkzeugen des Lean Managements, eingesetzt werden.
Neben allen Werkzeugen und Methoden bleibt jedoch die Haltung entscheidend: Nur wenn wir im Bauwesen schrittweise zu einer offenen, transparenten und kooperativen Arbeitsweise gelangen, werden wir von den Effekten des Lean Managements profitieren.
Über den Autor
Mathias Stieb verfügt über langjährige Erfahrung im klassischen Projektmanagement und ist als Real Estate Consultant und Lean Experte tätig, derzeit u.a. als Projektleiter der Projektsteuerung im Projekt Sanierung Neue Nationalgalerie in Berlin.